Lassen Sie uns heute über das größte Missverständnis in der KI-gestützten Softwareentwicklung sprechen. In fast jedem Gespräch, auf jeder Konferenz, dreht sich alles um die Technologie: Welches Framework, welches Modell, welches Tool?
Diese Faszination ist nachvollziehbar. Die Versuchung ist riesig, direkt mit dem „Vibe Coding“ – dem Hacken von Prototypen mit den neuesten LLMs – einzusteigen. Doch genau da lauert die größte Gefahr. Wir diskutieren über hochmoderne Technologie, bevor wir uns auch nur eine Minute über die eigentlichen, geschäftlichen Ziele ausgetauscht haben.
Die Kernaussage ist hart, aber ich sehe sie in der Praxis immer wieder bestätigt: AI-driven Development scheitert selten am Code. Es scheitert an der Ziellosigkeit.
Ich behaupte provokant: 90 % aller KI-Projekte sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Nicht, weil die Technologie heute nicht mächtig genug wäre – das Gegenteil ist der Fall. Sondern weil die Grundlagen schlichtweg nicht stimmen.
Teams starten begeistert, bauen Pipelines und nach ein paar Monaten ist das Ergebnis immer dasselbe: Ein technisch beeindruckender Proof-of-Concept. Aber null Business Impact.
Die entscheidende Differenz zwischen einer Tech-Demo und einem produktiven, wertschöpfenden System ist die Zielklarheit.
Die typischen Stolperfallen begegnen mir in Projekten immer wieder:
Wenn diese Fragen unbeantwortet bleiben, hilft auch das modernste Tooling nichts. Das Projekt ist verloren, lange bevor der erste Commit gemacht wurde.
Der eigentliche Startpunkt liegt nicht im Code, sondern in der Klarheit über Ziele, Daten und Erwartungen.
Viele reden über KI-Tools, doch kaum jemand spricht über das, was wirklich nötig ist: Modelle, die Software verstehen können – statt sie nur zu interpretieren. Der Schlüssel liegt darin, Software so zu beschreiben, dass KI sie nachvollziehen und reproduzieren kann.
Genau da setzt unser Ansatz BMAD (Behavior Modeling for AI-driven Development) an: Statt Textwüsten oder halbgaren User Stories arbeiten wir mit präzisen, maschinenlesbaren Modellen, die beschreiben, welches Verhalten ein System zeigen soll.
Viele befürchten, dass Software-Architekten überflüssig werden, sobald KI Code generiert. Falsch gedacht – das Gegenteil ist der Fall.
Architektur ist mehr als das bloße Zusammenstecken von Frameworks und Libraries. Diese Detailarbeit kann KI heute schon übernehmen. Entscheidend sind die großen Weichenstellungen:
Ohne Architekten würde KI zwar massenhaft Code produzieren, aber ebenso massenhaft Chaos. Die Rolle verschiebt sich: weg vom Codedetail, hin zur Entscheidung über Struktur, Verantwortung und Zusammenspiel. Je stärker KI in die Umsetzung eingreift, desto unverzichtbarer wird die Architektur, die den Kompass hält.
Wir bei itemis begegnen der Ziellosigkeit mit einer klaren Methodik: Advanced Context Engineering (ACE). Es ist die Kunst, LLMs so zu steuern, dass sie komplexe Aufgaben lösen, indem wir den Kontext gezielt strukturieren.
Dazu gehört die Nutzung von Architekt- und Orchestrator-Modi und Deep Research, um sicherzustellen, dass die KI nicht blind codiert, sondern auf Basis einer soliden, menschlich validierten Grundlage handelt. Der Mensch bleibt aktiv im Loop: er prüft, korrigiert und leitet. Denn: KI kann Code generieren, übernimmt aber keine Verantwortung. Ohne den Menschen fehlt ihr jede Orientierung.
Die Diskussion dreht sich zu oft um die falsche Frage: Ersetzt KI den Entwickler – oder nicht? Beides liegt daneben. Die Zukunft gehört der Kollaboration.
Erst im Zusammenspiel entsteht Software, die schnell, robust und vertrauenswürdig ist. Mein Tipp: Stellt euch am Anfang jedes Projekts radikal ehrlich die Frage „Wofür machen wir das?“. Das erste Commit ist nicht der Anfang eines KI-Projekts. Der Startpunkt liegt viel früher – bei der radikalen Zielklarheit.