Matter wird *der* neue Smart Home Standard, der die aktuelle Zersplitterung in unzählige, nicht miteinander kompatible Technologien behebt. Damit ist Matter zwar nicht der erste solche Ansatz, doch es spricht einiges dafür, dass dieses Mal tatsächlich die prophezeite Durchschlagskraft erreicht wird.
Brancheneinheitlicher Smart Home Standard: Matter
Mit der Connectivity Standards Alliance (CSA) steht genau das Konsortium hinter Matter, was bereits mit Zigbee Bekanntheit erlangt hat. Genau von dieser Erfahrungen profitiert nun der Matter Smart Home Standard. Dazu kommt, dass faktisch alle großen Player des Sektors – Mikrocontroller-, Hardware- und Softwarehersteller – hinter dem Standard stehen oder sogar schon erste Matter-kompatible Geräte angekündigt haben. Da auch ein Großteil der Bestandshardware, die Ethernet-, WLAN- oder 802.15.4-fähig ist, per Software-Update Matter-Kompatibilität erlangen kann, rechnen wir mit einem raschen Wachstum des Angebots.
Matter konnte stark von der Erfahrung vorheriger Standards profitieren und ist so ein Novum in Bezug auf Flexibilität und Vielseitigkeit: Auf der einen Seite ist die Spezifikation ausreichend präzise, um eine Interoperabilität aller Matter Smart Home Geräte über Herstellergrenzen hinweg zu garantieren; auf der anderen Seite lässt sie genügend Freiraum für innovative, herstellerspezifische Erweiterungen. Auch bezüglich des Übertragungsmediums stehen mit dem kabelgebundenen Ethernet, dem funkbasierten WiFi und dem Mesh-Netzwerk Thread für jeden Anwendungsfall praktikable Technologien bereit. Weiterhin ist die Kommunikation zu 100 % lokal, kommt also prinzipiell auch vollkommen ohne eine Cloud aus. Während die Cloud also bewusst kein Teil der Spezifikation ist, wurden Automatisierungen ein essenzieller Bestandteil. Nur so kann eine reibungsfreie Funktionalität auch bei Internetausfällen gewährleistet werden. Einer der wichtigsten Aspekte von Matter ist jedoch die tiefgreifende Integration moderner Sicherheitsfeatures auf allen Ebenen.
Besonders für klein- bis mittelständische Unternehmen und Start-Ups bringt Matter eine Vielzahl an Vorteilen. So müssen sich keine Gedanken mehr um grundlegende Sicherheitsaspekte, Verbindungskanäle und Kommunikationsprotokolle gemacht werden. Je nach Anwendungsfall kann oft auch die Entwicklung einer eigenen App entfallen und das Betreiben eigener Cloud-Infrastruktur vermieden werden. Dadurch beschleunigt sich der Produktentstehungsprozess und die Wartung wird vereinfacht. Nicht zuletzt sinken so auch die Kosten.
IoT Trend Matter: Etablierte Technologien nutzen und zusammenführen
Wir halten Matter für einen der wichtigsten IoT-Trends dieses Jahrzehnts. Daher haben die 15 itemis-Entwickler der Fachgruppe Firmware ihre Fokuswoche genutzt, um erste Erfahrungen mit dieser neuen Technologie zu gewinnen, Wissen auszutauschen und neues Wissen aufzubauen. Wir haben Anwendungen für diverse Plattformen und Schnittstellen entwickelt und getestet, namentlich Linux (LAN), ESP32 (WiFi) und nRF-52840 (OpenThread). Für die OpenThread-Verbindung diente ein Raspberry Pi als Border-Router.
Besonders positiv ist uns die Matter Spezifikation in Erinnerung geblieben: Sie ist gut strukturiert, verständlich formuliert und definiert auch klar die eigenen Grenzen. Sie macht klar, dass Matter nicht “das Rad neu erfindet”, sondern vielmehr bestehende und wohl etablierte Technologien nutzt und zusammenführt. Hervorzuheben ist die Bandbreite des Standards, der über die eigentliche Technologie hinaus offizielle Test- und Verifizierungsverfahren und -richtlinien festlegt.
Einige Schwierigkeiten bestehen dennoch, insbesondere mit der offiziellen Referenzimplementierung. Diese ist in einem einzelnen Mono-Repositorium organisiert, welches neben mäßig guter bis fehlender Dokumentation mit einem undurchsichtigen und komplexen Build-Prozess aufwarten kann. Die meisten Beispiele verlangen dazu eine vollständige Kopie der Codebasis, was bei der Größe nennenswert ins Gewicht fällt. Viele Strukturen sind historisch gewachsen und reichen bis in die Anfangszeiten von Zigbee zurück. Dafür werden allerdings bereits zu diesem Zeitpunkt mehr als 16 verschiedene Plattformen unterstützt, und durch das Aufbauen auf bekannten und etablierten Schnittstellen und Tools des Zigbee-Standards fällt Entwicklern der Ein- und Umstieg leichter, die mit diesem bereits Kontakt hatten.
itemis up-to-date: An Matter führt kein Weg vorbei
Doch auch der beste Standard bringt wenig, solange er noch nicht vollständig am Markt angekommen ist. Daher schauen wir bei itemis zuversichtlich auf die ersten Kooperationen zur Neuentwicklung Matter-kompatibler Smart Home Geräte und Anpassung existenter Software. Denn es kribbelt uns bereits in den Fingern, das neue Wissen kundennah anzuwenden.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die nächsten Jahre kein Weg an Matter vorbeiführt. Je früher man sich damit beschäftigt, desto schneller nutzt man die Vorteile, die sich insbesondere in Form erhöhter Sicherheit und beschleunigter Entwicklung zeigen.
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