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Wer sich noch nicht mit dem Thema „Design-Thinking” beschäftigt hat, nimmt möglicherweise vorschnell an, dass es sich um Schritte des Gestaltens handelt. Dabei ist dies erst der dritte von insgesamt fünf Schritten im Design-Thinking-Prozess. Zuallererst geht es darum, den Nutzer und das eigentliche Problem zu verstehen. Wie du das schaffst, erfährst du in diesem Artikel.

Die Empathize-Phase – Schritt 1 im Design-Thinking

Wenn wir einen Design-Thinking-Prozess durchlaufen, tun wir dies basierend auf einem Problem, der sogenannten „Design-Challenge”. Für dieses Problem wollen wir Lösungsideen finden und austesten. Bevor wir in die Ideengenerierung einsteigen, müssen wir zunächst das Problem im Kern verstehen. Genau dies tun wir in der ersten Phase des Design-Thinking-Prozesses, der Empathize-Phase. Was bedeutet das genau?

Problem Reframing – die Design-Challenge verstehen

Zuerst müssen wir sicherstellen, dass alle Teilnehmer ein gemeinsames, gleiches Verständnis der Design-Challenge haben. Wir gehen oft davon aus, dass dieses gemeinsame Verständnis bei allen Teammitgliedern von Anfang an vorhanden ist, weil wir unser eigenes Verständnis des Problems auf die anderen Teilnehmer übertragen und als allgemeingültig voraussetzen. Das ist jedoch nur äußerst selten der Fall und in der Regel ein Irrtum.

Dies verdeutlicht beispielsweise das Warm-up „How to make toast”, das Moderatoren in Design-Thinking-Workshops gerne nutzen, um die Empathize-Phase einzuleiten. Die Teilnehmer sollen in drei Minuten skizzieren, wie sie Toast machen. Wenn das Team hinterher die Ergebnisse vergleicht, stellt sich heraus, dass jeder diese Aufgabe ganz unterschiedlich verstanden und angegangen hat.

Bei den Einen fängt der Prozess beim Herstellen des Teigs an, bei anderen beim Kauf der Zutaten im Laden. Einige nutzen zum Toasten den Toaster, andere den Backofen. Für einige endet der Prozess, wenn der Toast getoastet ist, andere definieren das Prozessende mit dem Verzehr des belegten Toasts.

Es ist also wichtig, die Design-Challenge erst einmal im Team zu diskutieren. Dazu bietet es sich an, die Frage präsent aufzuschreiben, zum Beispiel auf ein Whiteboard. Anschließend werden die Teilnehmer darum gebeten, die einzelnen Fragmente der Frage zu besprechen und zu diskutieren. Hier zeichnet sich oft ab, dass die Frage nicht richtig gestellt ist und umformuliert werden sollte, damit sie das Problem, das die Teilnehmer bearbeiten wollen, wirklich im Kern trifft.

Interviews & Co. – das Problem und die Nutzer verstehen

Das Problem Reframing bedeutet nicht, eine Antwort auf die Frage zu finden, sondern nur, sie richtig zu verstehen. Danach heißt es, möglichst viel über den Hintergrund der Frage zu lernen. Eine Design-Challenge basiert auf einem Problem, das bestimmte Personen haben. Um dieses Problem wirklich zu verstehen, ist es unumgänglich, diese Personen mit einzubeziehen.

Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten: Es können Beobachtungen und Interviews durchgeführt werden, oder man versucht, das Problem selbst zu erleben.

Beispiel: Wenn wir etwas für Blinde konzipieren wollen, kann es ungemein hilfreich sein, sich selbst die Augen zu verbinden und so die Situation zu durchlaufen, die man optimieren möchte. Auf diese Weise sammeln wir sehr viele wichtige Einblicke zum aktuellen Status quo, zu Pain-Points, zu möglichen Ankern (das heißt was hält uns gerade dabei auf, das Problem zu lösen) und zu Raketen (das heißt was würde uns im Hinblick auf das Problem deutlich voran bringen).

Unser Ziel ist es, so viele Informationen wie möglich über das Problem herauszufinden.

Storytelling – die Informationen zusammentragen

Design-Thinking führen wir immer als Team durch, aber meist nimmt nicht jeder an jedem Interview teil. Daher ist es wichtig, sich gegenseitig von den gewonnenen Erkenntnissen zu erzählen. Die Teammitglieder erzählen sich gegenseitig Geschichten über die Nutzer, die sie befragt haben. Wichtig ist, diese Informationen direkt schriftlich festzuhalten, um so die Grundlage für die weitere Verarbeitung der Informationen zu gewährleisten.

Beispielsweise kann man die Informationen mittels Post-It's an einer Wand dokumentieren. Ich mache dies meist auf die Weise, dass ich Zeilen an der Wand vorbereite, die zum Beispiel heißen:

  • Status quo
  • Involvierte Personen
  • Touch-Points
  • Anker
  • Raketen
  • Offene Fragen

Wenn eine Person etwas über die Ergebnisse des Interviews erzählt, fasst sie die einzelnen Erkenntnisse auf Post-its zusammen und klebt sie in die entsprechende Zeile. So erhält man direkt Struktur und Übersicht. Wundere dich an dieser Stelle nicht: Die Wand (ich nenne sie gerne „Wall of Insights“) kann sehr groß und voll werden.

Wie geht es dann weiter?

Jetzt haben wir sehr viele Informationen gewonnen. Viele dieser Informationen sind zwar wichtig, aber vor dem Hintergrund unserer Zielsetzung nicht gleichwertig. Jetzt geht es darum, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Unser Design-Thinking-Coach hat das damals so formuliert:

Wir sammeln viel Dreck in der Empathize-Phase. Wichtig ist es nun, den Dreck auszusieben, um die Gold Nuggets, also die wirklich wichtigen Erkenntnisse, zu finden.

Und genau das macht man in der zweiten Phase des Design-Thinking-Prozesses, der Define-Phase.

Du möchtest wissen, wie diese Define-Phase abläuft? Dann lies jetzt unbedingt meinen Blogpost „Jobs to be done“- und „How might we“-Fragen: Die Define-Phase im Design-Thinking. Wenn dir der Artikel gefallen hat oder du eine konkrete Frage zur Empathize-Phase im Design-Thinking hast, hinterlasse mir gerne einen Kommentar.

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