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Websites mit hohen Nutzerzahlen – egal ob Webshop oder Nachrichtenportal – bestechen mit ihrer guten Usability und einer positiven User Experience. Nutzer finden sich zurecht, wissen, wo sie ihre benötigten Informationen suchen müssen und haben Spaß bei der Nutzung der Seite – und so soll es auch sein. Schließlich ist der Kunde (oder in diesem Fall der Nutzer) König.

Um ein positives Nutzererlebnis zu ermöglichen, gibt es zahlreiche Methoden des Usability Engineerings, die zum Einsatz kommen können. Von Nutzungskontextanalysen über Personas und heuristischen Evaluationen, bis hin zum Usability-Testing. Eine weitere und sehr neue Methode des Usability-Engineering-Prozesses, welcher in letzter Zeit immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist das sogenannte Customer-Journey-Mapping.


Was ist eine Customer-Journey-Map?

Der Begriff “Customer Journey” kommt ursprünglich aus dem Marketing und E-Commerce und beschreibt die „Reiseroute“ der Kunden oder Nutzer – vom ersten Berührungspunkt, bis hin zu einer definierten Handlung (z. B. der regelmäßigen Nutzung der Website).

Die Methode des Customer-Journey-Mappings wurde schnell auch im Usability Engineering adaptiert, denn auch für diese Zwecke besticht sie mit eindeutigem Mehrwert.

Mit einer Customer-Journey-Map werden alle Touchpoints und Interaktionsschritte der Nutzer mit der Website (oder jedem anderen interaktiven System) sequenziell dargestellt – genau wie in der ursprünglichen Verwendung im E-Commerce. Dabei können Exceltabellen, Metaplanwände oder verschiedene, spezielle Customer-Journey-Mapping-Tools zum Einsatz kommen.

Zwar lassen sich anhand von Customer-Journey-Maps keine Usability-Probleme analysieren und eliminieren, dennoch ist diese Methode und insbesondere die Visualisierung einer Customer-Journey-Map hervorragend dazu geeignet, solche Probleme zu aggregieren und übersichtlich darzustellen, um effektiv an einer Verbesserung arbeiten zu können.

Visualisierung und Erstellung einer Customer-Journey-Map

Um eine Customer-Journey-Map zu visualisieren, schauen wir uns zunächst alle möglichen Szenarien und Touchpoints der Nutzer mit dem System an und analysieren und definieren diese.

Dazu ist es unerlässlich, alle Nutzergruppen zu erfassen und zu beschreiben – am besten in Form von Personas. Diese sind das Fundament einer Customer Journey, denn jede einzelne Nutzergruppe hat andere Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen an ein interaktives System. Zu Beginn ist es daher ratsam, sich erst einmal auf eine Persona zu konzentrieren und die Journey Schritt für Schritt für sie zu definieren. Im Gesamten sollten jedoch alle Nutzergruppen berücksichtigt werden.

Mit der Definition der Nutzergruppe ist die “Vorarbeit” geleistet. Im nächsten Schritt muss jeder der oben genannten Touchpoints, also jeder direkte und indirekte Berührungspunkt mit dem System, und jeder Step (z. B. das Erkennen eines Bedürfnisses), den die einzelne Persona mit dem System macht, genauer definiert werden, beispielsweise in Form von User Stories. Große User Stories sollten in kleine heruntergebrochen werden.

Sowohl Touchpoints als auch Steps führen zu Assoziationen und Problemen des Nutzers mit der Website oder dem interaktiven System. Deshalb ist es wichtig, sich genau in die Lage der Persona mit all ihren Eigenschaften und Vorkenntnissen zu versetzen, um eine aussagekräftige Customer-Journey-Map zu erstellen. Dabei sollte man sich stets die Fragen stellen: „Was erlebt Person X? Wonach sucht er / sie? Sind alle Informationen, welche für sein / ihr Ziel relevant sein können, schnell auffindbar?“. Probleme, die über die verschiedenen Nutzerfeedbackkanäle (Hotline, Social Media, Communities und Foren, Usability-Tests, Heuristischen Evaluationen etc.) ins Team gelangen, sollten ebenfalls in die Map mit aufgenommen werden.

Ich habe hier das Beispiel einer Website für Autovermietung herangezogen, um eine Customer-Journey-Map beispielhaft zu visualisieren – die Persona "Christian" wurde in diesem Beispiel natürlich vorab entsprechend ausgearbeitet. Neben der hier verwendeten, naheliegensten Motivation, die Website zu besuchen – nämlich die ein Auto zu buchen – sind auch andere Use Cases, wie die Stornierung eines gebuchten Autos oder eine Umbuchung auf einen anderen Tag, denkbar.

(Allgemeine) User Story
Christian möchte ein Auto mieten, um seine Tante in München zu besuchen.
Persona Christian
Touchpoint Motivation Onlinerecherche & Angebotsvergleich Entscheidung für einen Anbieter Abschluss eines Mietvertrags
Step Christian möchte ein Auto mieten. Er informiert sich im Netz. Er wählt einen Anbieter Er mietet ein Auto.
(kleine) User Stories Christian möchte ein Auto mieten, um seine Tante in München zu besuchen. Er informiert sich bei verschiedenen Anbietern und vergleicht die Preise, um das beste Angebot wahrzunehmen. Er hat sich für den Anbieter mit dem günstigsten Angebot entschieden. Er registriert sich bei dem Anbieter, wählt das gewünschte Mietauto aus, so dass ein Vertrag geschlossen werden kann.
(Grobes) Usability-Problem   Christian hat Probleme, sich auf der Website zurecht zu finden, da die Endpreise nicht deutlich dargestellt ist.   Christian findet die Vertragsbedingungen nicht.
(Detailliertes) Usability-Problem   Christian muss alle einzelnen Zusatzgebühren addieren, um den Endpreis zu ermitteln.   Die Vertragsbedingungen sind zu tief in den Subpages verortet, so dass Christian diese nicht finden kann.
Mögliche Lösung   Der Endpreis wird exakt dargestellt.   Die Vertragsbedingungen werden fokussiert neben dem Kaufpreis und dem „Jetzt mieten“ Button platziert.

Fazit

Das Beispiel zeigt: Wird die Customer-Journey-Map im Usability Engineering genutzt, können für jede Persona spezifische Usability-Probleme erfasst werden. Auf diese Art und Weise, lassen sich alle Usability-Probleme, die ein interaktives System aufweist, übersichtlich darstellen. Hilfreich ist vor allem, die Customer-Journey-Map auszudrucken und präsent in den Arbeitsräumen anzubringen, damit sich alle (Projekt-)Beteiligten immer wieder in Erinnerung rufen können, wo die Probleme, die das Nutzererlebnis negativ beeinflussen, auftauchen. So wird sukzessive an der Qualitätsverbesserung des interaktiven Systems gearbeitet und eine positive User Experience gewährleistet.

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