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Kennt ihr das auch? Ihr hastet kurz vor knapp zu einem Meeting, kommt gerade noch pünktlich – und seid trotzdem die Ersten. Für die meisten Meetings sind Verspätungen kein Problem, werden sie doch in der Regel nur grob zeitlich abgeschätzt und geblockt. Wenn wir aber agil mit Scrum arbeiten, machen ein paar Minuten mitunter den Unterschied.

Verspätungen im Scrum Daily – kein Problem?

Das Scrum-Framework schreibt den Beteiligten relativ wenig vor. Ein paar wenige Regeln gehören jedoch dazu – unter anderem, dass die Meetings (oder Events) eine klare zeitliche Beschränkung haben (die sogenannten Time Boxes). Auch wenn es natürlich nicht ideal ist, fallen in der Sprint Retrospektive, dem Planning oder Review ein paar Minuten Verspätung nicht weiter ins Gewicht, da sie abhängig von der Sprintlänge ein paar Stunden dauern können. Kommt nur ein Teilnehmer zu spät, bleibt für die anderen Zeit, in Ruhe anzukommen, den neuesten Flurfunk auszutauschen oder noch ein paar Mails zu checken.

Das Scrum Daily jedoch dauert unabhängig von den anderen Rahmenbedingungen immer 15 Minuten. Je nach Teamgröße kann es da schon einmal knapp werden, wenn alle auf zwei oder drei Kollegen warten müssen – und das obwohl das Daily essentiell für den Scrum-Prozess ist. Durch das Daily wird der Inspect & Adapt-Gedanke gelebt: Im täglichen Kurzmeeting wird regelmäßig überprüft, wie die Arbeit im Team läuft und was verändert werden sollte, Infos werden optimal im Team verbreitet und Erfahrungen ausgetauscht. Als empirischer Prozess basiert Scrum genau auf diesen Erfahrungen. Zudem dient das Daily dem Team zur gemeinsamen Planung, um den Tag so effizient und effektiv wie möglich zu nutzen und so den größtmöglichen Fortschritt in Richtung Sprintziel zu erreichen.

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Der Scrum Master greift durch – aber wie?

Wie kann es also sein, dass das Scrum Daily, obwohl es eine so wichtige Rolle im Projekt einnehmen sollte, oft nur stiefmütterlich behandelt wird? Und wie kann der Scrum Master auf so eine Situation reagieren?

Die Kollegen der Scrum Akademie haben den Gedanken von Mike Cohn aufgegriffen und die Idee von Sanktionen und positiver Bestärkung ins Spiel gebracht, um dieses Verhalten zu ändern. Sanktioniert werden kann jede Verspätung beispielsweise mit Strafzahlungen in die Kaffeekasse. Positive Bestärkung wären zum Beispiel Kuchen und Kekse für regelmäßiges pünktliches Erscheinen.

Beide Vorgehensweisen haben sicherlich ihre Vor- und Nachteile, allerdings finde ich sie für das Problem nicht zielführend. Warum?

Offenheit und Mut: Der Scrum Master als Vorbild

Das gesamte Team committed sich zu Beginn des Projektes auf die (wenigen) Regeln – und Pünktlichkeit im Scrum Daily sollte dazugehören. Wird diese Regel trotzdem nicht eingehalten, gilt für den Scrum Master vor allen Dingen eins: Er sollte das Gespräch suchen und sich mit den Betroffenen zusammensetzen, um die Gründe in Erfahrung zu bringen, warum es zu Verspätungen kommt. Ist die Bedeutung des Dailys klar und liegt es vielleicht einfach daran, dass aktuell zu viele Projekte und Aufgaben auf dem Plan stehen und die Fokussierung für das Daily dieses einen Projektes fehlt?

Oder kommt dem Daily doch nicht der richtige Stellenwert zu? Gerade in Teams, die noch keine Scrum-Erfahrung haben, ist dies oft der Fall: Sie erkennen die Bedeutung des Daily nicht und sehen als lästige Pflicht. Der Scrum Master sollte also zusammen mit dem Team erarbeiten, welchen Mehrwert, das Daily liefern kann und wie es gestaltet werden muss, damit dieser Mehrwert für alle erreicht wird. Hat vielleicht auch der Scrum Master selber einen Fehler gemacht und die Bedeutung und Durchführung des Daily nicht richtig hervorgehoben? Es soll ja vorkommen, dass auch Scrum Mastern mal ein Fehler passiert ;)

Doch nicht nur das Gespräch mit dem Einzelnen ist wichtig: Das Team an sich kann vom Scrum Master in die Pflicht genommen werden. Gemäß den Scrum-Werten Offenheit und Mut kann das Team im Optimalfall das Problem auch selbst angehen – vor allen Dingen, wenn es merkt, dass durch das Verhalten eines Einzelnen das gesamte Sprintziel gefährdet ist. Der Mut, Dinge offen anzusprechen, sollte vom Scrum Master vorgelebt werden.

Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden

Jeder kann mal zu spät kommen – davon geht die Welt nicht unter und das Projekt auch nicht. Kommt es jedoch zu häufig vor, dürfen Team und Scrum Master das Problem nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern müssen es an der Wurzel packen. Bestrafungen oder Belohnungen können kurzfristig funktionieren, kaschieren aber die eigentliche Ursache des Problems. Die offene Ansprache und die gemeinsame Suche nach dem Ursprung des Poblems sind das Geheimnis. Allen Beteiligten sollte klar sein, dass die Vernachlässigung des Dailys im schlimmsten Fall sogar dazu führen kann, dass das Sprintziel nicht erreicht wird.

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